Die
Sängerin durfte sich vier Preise abholen. Astronaut Tim Peake verlieh
ihr aus dem Weltraum die Auszeichnung für globalen Erfolg.
Was haben sie nicht schon Gesprächsstoff geboten, die Brit Awards. Bei
der Verleihung der britischen Musikpreise, dem Pendant zu den Grammys in
den USA, forderte einst Robbie Williams Oasis-Sänger Liam Gallagher zum
Boxkampf heraus, pfefferte dieser Liam Gallagher sein Mikrofon ins
Publikum, zeigte Adele den Stinkefinger und sang Ex-Spice-Girl Geri
Halliwell in einem Union-Jack-Kleid, das angesichts seiner Kürze
eigentlich kaum Kleid hätte heißen dürfen. Und Madonna purzelte
vergangenes Jahr rücklings die Treppen zur Bühne hinab, weil ihr Cape zu
fest zugebunden war. Und in diesem Jahr? Alles völlig pannen-, streit- und skandalfrei.
Coldplay (beste britische Band) trat umgeben von kitschiger Blumendeko
auf, Justin Bieber (bester internationaler Künstler) sang am Lagerfeuer
zur Gitarre von Kollege James Bay (bester britischer Künstler), Geri
Halliwell heißt inzwischen Horner und trug ein Kleid, das bis zu ihren
Knien reichte. Dass Adele aus Versehen "Fuck" sagte, war schon der
größte Fauxpas - für den sie sich auch brav entschuldigte. Rock'n'Roll
war das nicht. Stattdessen wurde der Mittwochabend in der Londoner O2-Arena zur
weichgespülten großen Adele-Show. Das war absehbar, die 27-Jährige ist
derzeit der erfolgreichste Export der britischen Musikindustrie, die
sich mit den Brit Awards selbst feiert. Vier Preise durfte sich die
Sängerin abholen, darunter den für das beste Album "25" und als beste
britische Künstlerin. Mit "25" hat Adele international Verkaufsrekorde
gebrochen. "Mein Kind wird denken, dass ich so cool bin", stammelte die
Sängerin in London und kämpfte mit den Tränen. Mit einem vielfachen "Ich
liebe dich" bedankte sie sich bei ihrem Partner Simon Konecki dafür,
dass er sie während der schwierigen Aufnahmen ertragen habe. Die beiden
haben einen Sohn. Dass sie den Award für globalen Erfolg direkt aus dem Weltall von
Astronaut Tim Peake verliehen bekam, verschlug der Londonerin kurz die
Sprache und trieb ihr die Tränen in die Augen. Zum Abschluss der Show
durfte sie dann noch "When We Were Young" singen. Anders als bei den
Grammys in Los Angeles neulich, wo ein Mikrofon in den Flügel gefallen
war, ging diesmal alles glatt. Die Musiker von Coldplay, die schon zum vierten Mal einen Brit
Award als beste britische Band bekamen und damit einen Rekord
aufstellten, widmeten ihren Preis Musikern in Flüchtlingslagern.
Insgesamt hat die Gruppe um Frontmann Chris Martin (38) den wichtigsten
britischen Musikpreis damit neunmal (in diversen Kategorien) gewonnen. Einen schockierenden oder auch nur interessanten Auftritt, der im
Gedächtnis bleiben wird, suchte man bei dieser Preisverleihung
vergebens. Optisch eindrucksvoll war immerhin Rihannas Lasershow, zu der
sich überraschend Rapper Drake gesellte. Schon eine anzügliche
Tanzeinlage der beiden wirkte in London ziemlich gewagt. Und dass in
Justin Biebers Auftritt Flammen vorkamen, bewegte das Moderatorenduo zu
mehreren Hinweisen auf den Feueralarm.
Ein Tribut an einen der größten britischen Rockstars überhaupt
durfte in diesem Jahr bei den Brits nicht fehlen: David Bowie sei seiner
Krebserkrankung mit "Mut, Würde, Anmut und gewohnheitsmäßigem Humor"
entgegengetreten, sagte Schauspieler Gary Oldman, der mit dem im Januar
gestorbenen Ausnahmekünstler gut befreundet war. Bowies Hits wie "Space Oddity" und "Starman" würdigte die
19-Jährige Lorde in einem Medley. Bowie hatte die Neuseeländerin einmal
als "die Zukunft der Musik" bezeichnet. Begleitet wurde sie von seiner
Band. Kommentatoren im Netz feierten die Hommage als sehr gelungen und
würdevoller als Lady Gagas Bowie-Auftritt bei den Grammys. Davon abgesehen sei die Show aber "todlangweilig", ätzte
"Guardian"-Musikkriker Alexis Petridis: Man bekomme nur serviert, was
man schon kenne. Den Mainstream-Vorwurf müssen sich die Awards schon
lange gefallen lassen. Dieses Jahr galt die Kritik vor allem der
Tatsache, dass die Nominierten in den nationalen Kategorien ausnahmslos
weiß waren. Vorab hatten die Verantwortlichen dazu Stellung bezogen: "Die
ausgezeichneten Künstler sind meistens diejenigen, die den größten
Chart-Erfolg erreicht haben", hieß es. "Angesichts der sich schnell
wandelnden Landschaft des Musikkonsums ist es vielleicht an der Zeit,
einen frischen Blick auf die Kriterien der Brit Awards zu werfen." Ob
daraus etwas wird, dürfte sich im nächsten Jahr zeigen.
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