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Sonntag, 8. Mai 2016

Adele begeistert in Berlin ihre Fans

Adele tritt zweimal live in der Mercedes Benz World in Berlin auf. Die Diva begeistert ihre Fans und plaudert über sich selbst. Überlebensgroß zittern geschlossene Lieder mit angeklebten Wimpern, geschwärzt von einem dickem Amy-Strich, über den Bühnen-Screen. "Für eine Show werde ich aufgetakelt, bis ich wie eine Drag Queen aussehe". Zitat der Frau, die gleich zwei Stunden lang die verschiedensten Stadien der Liebe behandeln wird. Hunderte Handys sind auf die LED-Wand gerichtet, warten nervös darauf, dass die Schlafende erwacht. Dann öffnen sich die Augen, die Halle schreit, der entrückte Schneewittchen-Moment ist vorbei. Hello, it's Adele! Die Sängerin schwebt majestätisch auf einem Podest in die Arena. Der Superstar hebt die Arme, winkt in die Halle. Natürlich ist sie keine Drag Queen, sondern eine graziös-dralle, vollständig von schwarzem Glitterstoff verhüllte Venus. "Hello from the other side", singt Adele Laurie Blue Adkins. Und leider eröffnet sich schon jetzt, was den ganzen Abend lang beklagenswert sein wird. Der Sound in der Benz-Arena ist schlecht, klingt blechern, rumpelt und dröhnt. Der Bass ist um ein Vielfaches zu laut , – immerhin – Adeles Stimme klingt gut. Sie steigt vom Podest, geht begleitet von zwei Bodyguards durch die ersten Reihen. Sie schüttelt ein paar Hände und steigt auf die Bühne. Ihre Bühne.  Eigentlich hätte der heutige Abend gar nicht stattfinden sollen, wegen chronischen Lampenfiebers und akuter Arena-Allergie. Aber wer als heißester Stern am Divenhimmel gilt, muss am Ende doch vor 17.000 Menschen auftreten können. Adele ist weder scheu noch märchenhaft entrückt, im Gegenteil. Sie ist voll da, nur wenige sind so sehr da wie sie. Die Comeback-Single hat die Sängerin mit Lionel Richie ("Hello, is it me you're looking for?") zumindest songtechnisch mehr oder weniger freiwillig verbunden. Einer in der ersten Reihe trägt ein Lionel-Richie-Oberteil. "Gratuliere zu deinem Shirt", ruft die Sängerin. "Dachtest Du, Lionel würde heute spielen?" Sie lacht. Keine Diva der Welt hat eine bessere Lache als Adele. In den vollbesetzten Reihen sitzen Kinder, Punks, Liebespaare, Mütter, Väter, Hipster, Hippies und Rentner. In einer Zeit, in der keiner Platten kauft, hat Adele über 60 Millionen Stück abgesetzt – so ziemlich an jede Zielgruppe. Heute Abend hier zu sein ist quasi ein Privileg, so absurd, wie der Ticketkampf um diese Konzerte war. Beide Shows waren innerhalb von Sekunden restlos ausverkauft. Tickets für Adele-Konzerte in London wurden für fünfstellige Summen angeboten. Soviel dürfte in Deutschland keiner bezahlt haben. Aber auch in Berlin sitzen ein paar, die ihre Karten trotz 444-prozentiger Preissteigerung gekauft haben. Und das für einen Abend ganz ohne Tanzkolonnen, fliegende Robotervögel und Pyrokanonen. Es wird keiner auf einer Sänfte in die oder aus der Halle getragen.

Superstar, Hausfrau und Mutter

Kaum zu glauben, aber wahr: Es gibt nicht mal einen Kostümwechsel. Adele bestreitet den ganzen Abend in ein- und demselben Kleid. Warum sind Menschen bereit, so viel Geld für eine 28-jährige Frau aus London auszugeben? Vielleicht, weil keine andere die Brücke von der Millionärin zum Normalo besser schlagen kann als sie. Adele verkauft kein exzentrisches Spektakel, sondern eine fast schon radikal reduzierte One-Woman-Show. Ja, sie ist ein millionenschwerer Superstar. Aber Adele ist auch Hausfrau und Mutter. Tagsüber muss sie Butterbrote schmieren, Wäsche falten, das Kind zur Ordnung rufen und hat Figurprobleme. Abends füllt sie eben mal eine Arena oder nimmt einen Oscar entgegen. Ihrer Bodenständigkeit tut das keinen Abbruch. "Hometown Glory" singt sie, strahlend. Wirft triumphierend ihren blonden Bob zurück. Zu "One And Only" lüftet sich der LED-Vorhang und gibt den Blick auf das mitgebrachte Orchester frei. Adele wiegt sich, streckt die Hand nach oben. Sie singt, sie fleht. "I dare you to let me be your one and only. Promise I'm worthy to hold in your arms". "Ihr wisst ja, ich habe nicht viele fröhliche Songs", untertreibt Adele. Sie hebt ihre Tasse Honig-Tee vom extra bereitgestellten Tassenständer. Ihr englischer Humor ("Ihr glaubt nicht, wie viele Pinkelpausen ich beim Schreiben von 'Skyfall" einlegen musste") walzt mitten durch die Melancholie. Es gibt Leute, die ihre Kneipe zur Bühne machen. Adele macht ihre Arena zum Pub. Ja, es gibt auch Längen. Weil Adeles Musik, abgespalten vom derben Theken-Charme, etwas Altbackenes hat. Ohne witzige Zwischenmoderation klingen die Stücke auf "25" zusammengenommen fast, als sei die Frau, die sie geschrieben hat, in ihren Vierzigern. Man fragt sich, wie ein Album daherkommen soll, bei dem Adele sich wirklich in ihrer Lebensmitte befindet. Dass sie eigentlich weitaus mehr kann, als sie heute zeigt, wissen alle, die die "Carpool-Karaoke"-Episode auf YouTube mit ihr gesehen haben. Ein Rap, ein Spice-Girls-Cover – für musikalische Erweiterungen ihres schweren Liebessee-Repertoires wäre noch Luft. Doch eingelullt in Adeles Kneipendunst kann man sogar eine unendliche Abfolge an Liebesliedern ertragen. Zum Beispiel "Rumor Has It" und eine wunderbare, in grünes Licht getauchte Version von "I Miss You". Adele gibt alles emotional Mögliche. Ist Furie, Verletzte, Stolze und Vergebende. Kurz vor Schluss die versemmelte Grammy-Nummer "All I Ask". Der Hallensound stimmt immer noch nicht. Bei Adele stimmt alles. Dann der Abschied: "Rolling In The Deep", das stürmische Drama über einen zerbrochenen Lebenstraum, die Abrechnung mit einer Ex-Liebschaft. "I can't help feeling we could've had it all" – jeder hier weiß, wovon die Frau spricht. Es fällt schwer, sie gehen zu lassen. Wer weiß schon, wann sie zurückkommt. Vier Jahre hat sie uns auf diese Tournee warten lassen. Die nächste Pause ist angekündigt: "Ich lebe in einer Blase. Und ich brauche Privatsphäre und Ruhe, um Songs schreiben zu können, mit denen echte Menschen etwas anfangen können", erklärt sie während der Zugabe. Wie angenehm selbstbestimmt das klingt. In der Serie "Desperate Housewives" versuchte eine Horde verbitterter Zicken hysterisch einen Sinn im langweiligen Schickeria-Mütter-Leben zu finden. Ganz anders Adele. Sie ist nicht verbittert. Sie ist die Göttin unter den suchenden Hausfrauen.

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