Einer der erfolgreichsten Popstars kommt nach Berlin: Sonnabend und Sonntag tritt Adele in der Mercedes-Benz Arena auf. Manche behaupten, diese Stimme lindere Schmerzen. Sie sei
Balsam für gebrochene Herzen. Sie nehme tröstend in den Arm, wenn
Liebeskummer das Leben mal wieder zu verdunkeln droht. Zu Recht. Mit
ihren sehr persönlichen Songs gibt die britische Sängerin Adele den
Verlassenen und Verstoßenen Trost und macht Mut zum Neuanfang. Und
trifft mitten ins Herz. Damit wurde Adele zu einer der erfolgreichsten
Pop-Sängerin des 21. Jahrhundert. Seit vor acht Jahren
mit "19" – so alt war sie damals – ihr Debüt-Album erschienen ist, hat
Adele mehr als 100 Millionen Platten umgesetzt, hat bisher zehn Grammys
gewonnen, acht Brit Awards und einen Oscar für ihren
James-Bond-Titelsong zu "Skyfall". Geboren im Arbeiterviertel Tottenham
im Londoner Norden ist Adele heute laut der "Sunday Times"-Liste der Top
50 Musik-Millionäre in Großbritannien mit 108 Millionen Euro Vermögen
die reichste Musikerin Englands.
"21" verkaufte sich sagenhafte 30 Millionen Mal
Sie
macht Dinge, die manch anderen Aufsteiger längst wieder aus der Bahn
geworfen hätten. So war sie nach dem 2011 erschienenen zweiten Album
"21", das sich sagenhafte mehr als 30 Millionen Mal verkauft hatte,
plötzlich weg. Sie zog sich zurück ins Privatleben. Sie gründete eine
Familie. Sie wurde Mutter. Drei Jahre lang ließ sie so gut wie nichts
von sich hören.
Es hat ihr nicht geschadet. Als Ende vergangenen Jahres
mit "25" das dritte Album erschien, stand die Fanwelt Kopf. Klug geplant
sang sie in "Hello", der ersten ausgekoppelten Single: "Hallo, ich
bin's. Ich habe mich gefragt, ob wir uns nach all den Jahren nicht mal
wieder treffen sollten". Sie singt es im Lied einem verflossenen Freund
auf den Anrufbeantworter. Aber eigentlich singt sie es für alle ihre
Fans, um ihre Rückkehr einzuleiten. Das Video zu "Hello" wurde auf
Youtube innerhalb von 48 Stunden 50 Millionen mal geklickt.
Bis heute zählt sie Etta James zu ihren prägendsten Einflüssen
Das
pummelige Mädchen, das als Adele Laurie Blue Adkins bei der allein
erziehenden Mutter in Tottenham im Norden Londons aufwuchs, hatte schon
früh genaue Vorstellungen davon, wie ihr Leben verlaufen sollte. Sie
macht keinen Hehl daraus, dass die Spice Girls ihre erste große Liebe
waren. Sie veranstaltete im heimischen Wohnzimmer kleine Shows, in denen
sie die Lieder der Girl Group sang.
Irgendwann erstand sie in einem Plattenladen zwei LPs
für fünf Pfund. Eine von Ella Fitzgerald, eine von Etta James. Sie
kannte die Sängerinnen nicht, aber die Plattencover hatten es ihr
angetan. Dann hörte sie die Platten wieder und immer wieder, vor allem
dem Gesang von Etta James war sie verfallen. Sie schulte sich an Klang
und Phrasierung der Rhythm'n'Blues-Sängerin. Bis heute zählt sie Etta
James zu ihren prägendsten Einflüssen.
Ein Mädchen, das genau weiß, was es will
Sie
verließ die ungeliebte Gesamtschule in Balham und schaffte es auf die
renommierte BRIT School for Performing Arts, eine weiterführende Schule
für darstellende Künste. In dieser Kaderschmiede des Pop wird nicht nur
das Handwerkszeug für die Bühne, sondern auch das Geschäft hinter der
Bühne beleuchtet. Und die robuste Adele Adkins erwies sich als gelehrige
Schülerin. Auf Youtube kursiert ein höchst aufschlussreiches Video, ein
Webcast von Who-Gitarrist Pete Townshend aus dem Mai 2007, der damals
in der Reihe "In The Attic" junge Musiker vorstellte.
Hier sieht man die gerade 19 gewordene Adele in einem
Wohnwagen im Gespräch mit Musikerin Rachel Fuller. Ein selbstbewusstes
Mädchen, das von seinem noch jungen Leben erzählt. Das gerade dabei ist,
seine erste Platte aufzunehmen. Und schon in diesem frühen Stadium
spürt man, dass sie genau weiß, was sie will.
Sie bricht immer wieder die Regeln des Popgeschäfts
Dass
der Erfolg dann so übermächtig wurde, kann sie selbst nicht fassen.
Dass er aber auf die eine oder andere Weise kommen würde, dessen war sie
sich sicher. Adele, die am 5. Mai, am Himmelfahrtstag, 28 Jahre alt
wird, ist zum Weltstar geworden, weil sie die Regeln des Popgeschäft
zumindest vordergründig immer wieder bricht. Sie ist kein Glamour-Girl.
Sie steht zu ihrer Körperfülle. Sie flaniert über rote Teppiche nur,
wenn es unbedingt sein muss. Sie verweigert sich im Gegensatz zu
Kollegen und Kolleginnen jeglicher Zusammenarbeit mit der
Werbeindustrie.
Adele ist ein Kontrollfreak mit einem eingeschworenen
Team von Managern, Produzenten und Strategen im Hintergrund. Wer nicht
so spurt, wie sie will, hat in dieser Gemeinschaft nichts verloren. Sie
ist zu einer Marke geworden, die akribisch gepflegt wird, eine Frau, die
sich als Künstlerin der Öffentlichkeit preis gibt, das Privatleben aber
für sich behalten will und verteidigt, notfalls auch mit Anwälten.
Adele scheint einen sechsten Sinn für Hits zu besitzen
Adele
versteht die Regeln des Geschäfts, doch all das würde nichts nützen,
wäre da nicht dieses Gespür für Lieder, auf die sich Millionen einlassen
können. Wäre da nicht diese Stimme, dieser beseelte, emotionsgeladene
Ton, dem immer eine Prise Rauheit beigemengt ist. Niemand kann wirklich
sagen, welcher Song das Zeug zum Hit hat und welcher nicht. Adele aber
scheint einen sechsten Sinn dafür zu besitzen. Von ersten Singles wie
"Hometown Glory" oder "Chasing Pavements" über "Rolling In The Deep" und
"Someone Like You" bis zum aktuellen "Hello".
Nach den beiden ersten Alben, die sich jugendlichem
Liebesfrust und Beziehungsschmerz ergaben, hat Adele mit "25" die
Jugendjahre hinter sich gelassen. Mit Liedern wie "When We Were Young"
oder "Million Years Ago" beklagt sie den Verlust der Kindheit, das Ende
früher Freundschaften, die Bürde des Erwachsenseins. Des Kindes wegen
hat sie mit dem Rauchen aufgehört, Alkohol kommt inzwischen höchstens in
Form eines Glas Rotweins auf den Tisch. Sie steht weiter zu ihren
Pfunden, legt aber mehr Wert auf ihr Äußeres.
Nach der Tournee will sie wieder eine lange Pause machen
Für
ihre melodramatischen Lieder holt sich die Frau mit dem großen
Selbstbewusstsein und der noch größeren Stimme nur die bestens
Produzenten ins Studio. Und bleibt ihren so altmodischen Pianoballaden
doch weiterhin treu, daran konnten auch Massenpop-Produzenten wie Max
Martin, der für Katy Perry, Britney Spears, die Backstreet Boys, NSYN
arbeitete, nichts ändern. Wenn es nicht so funktioniert, wie sie es gern
hätte, ist die Arbeit aber auch schnell wieder beendet. Wie mit Damon
Albarn, dem Blur-Sänger und Schwarm ihrer Jugend, der Adele nach der
missglückten Zusammenarbeit Unsicherheit und Mittelmäßigkeit vorwarf,
sich davon aber inzwischen wieder distanzierte. Nun
kommt Adele mit ihrer Band am 7. und 8. Mai 2016 im Rahmen ihrer
Welttournee für zwei Konzerte in die Mercedes-Benz Arena. Das
unspektakulär inszenierte Konzert beinhaltet 18 Songs, darunter Hits wie
"Hello" zum Auftakt, "Set Fire To The Rain", "Make You Feel My Love"
und natürlich als Höhepunkt "Rolling In The Deep". Nach der Tournee will
sie sich wieder ins Private zurückziehen. Von fünf Jahren sprach sie
gegenüber britischen Zeitungen. Ihre Fans werden wieder auf sie warten,
das ist gewiss. Bis zum nächsten Album. Das dann wohl weise "30" oder
"31" oder "32" heißen wird.
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